Samstag, 16. März 2013

Heldenerzählungen – Workshop


Die Glorifizierung des Mannes zum Helden passiert in verschiedenen Bereichen. In der Jagdfotografie, der Popkultur, aber auch im Familienbild werden Männer in der Rolle des "Übermenschen" inszeniert. In diesem Panel wurden die drei unterschiedlichen Felder von Dr. Elahe Haschemi Yekani, Julia Lemmle und  Prof. Dr. Rolf Pohl beispielhaft analysiert.

Ines Kappert (Moderation), Prof. Dr. Rolf Pohl, Julia Lemmle
und Dr. Elahe Haschemi Yekani (v.l.n.r., Foto: Monika Keiler)

Dr. Elahe Haschemi Yekani vom Institut für Anglistik der Universität Innsbruck konzentrierte sich in ihrem Input auf die Inszenierung von Männlichkeit in der Rolle des Jägers in der Fotografie. Bereits in kolonialen Zeiten bestand ein überhöhter Universalitätsanspruch von Männlichkeit. Lichtete man weiße Männer auf der Jagd ab, so standen sie im Mittelpunkt des Geschehens. Frauen fungierten lediglich als Bewunderinnen im Hintergrund, People of Color waren noch nebensächlicher. Die visuelle Zentrierung der kolonialen Amtsträger symbolisierte nicht nur ihr Begehren, sondern auch ihre Macht. Die Inszenierung des Jagderfolges in kolonialer Pose diente dabei als Versuch das spektakuläre Zentrum des Bildes darzustellen und sollte auf eine gute (politische) Führung hindeuten – die Fotografie bestätigte die hegemoniale Männlichkeit. Auch in der zeitgenössischen Inszenierung, z. B. von Führungskräften wie Wladimir Putin oder George W. Bush, fällt die besonders heldenhafte Darstellung auf, wie Haschemi anschaulich verdeutlichte.

Die Fotografie an sich ist allerdings ein zweideutiges Medium. Sie kann den Körper überhöhen, was jedoch ebenso ein Scheitern impliziert: Während sie Personen einerseits in besonderer Weise positionieren und übermenschlich erscheinen lassen kann, spricht der Theoretiker Roland Barthes andererseits auch vom Tod der Person in der fotografischen Dokumentation. Sobald eine Kamera in Sicht ist, erstarrt man bekanntlich in einer artifiziellen Pose. Der Körper wird in ein Bild transformiert. Um Männlichkeit und politische Macht sowie Hegomonie aneinander zu knüpfen und zu erhalten, wird demzufolge auf männliche Aufführungscodes wie die Jagd in fotografischen Motiven geachtet.

Weiter weist Haschemi auf den Vergleich zwischen Kamera und Gewehr hin, da es sich bei beiden Gegenständen um eine "Waffe" handelt, mit der man schießt. Im Zuge der männlichen Machtdeklaration wird das Bild zur eigentlichen Beute der Jagd. Selbst Wildlife-Fotografen haben einen Jägercharakter, denn sie begehren auf die gleiche Art und Weise ihr Produkt, so Haschemi. Der männliche Charakter der Jagd ist historisch belegt. Die privilegierte Männlichkeit nutze sie als Rückzug von Krisen oder Geschlechterkonflikten.



Fast alle Plätze besetzt (Foto: Monika Keiler)

Die Kulturwissenschaftlerin und zweite Referentin Julia Lemmle setzte sich mit einer Figur auseinander, die sowohl im Comic als auch im Film eine wichtige Rolle spielt: Batman. In ihrem Input analysierte sie die narzisstische Selbstüberhöhung durch Abgrenzung und Othering in Christopher Nolans Batman-Trilogie vor allem hinsichtlich der Frage, inwiefern der Film eine weiße Männlichkeit präsentiert.

Othering bedeutet soviel wie "Veränderung" und bezeichnet die überhöhte Selbstwahrnehmung und Abgrenzung einer Gruppe oder eines Individuums gegenüber einer anderen Gruppe, die als das "Andere" klassifiziert und abgewertet wird. Aspekte des Otherings zeigen sich in Racism, Classism und Ableism (Behindertenfeindlichkeit), die sich allesamt in der Batman-Trilogie wiederfinden ließen und - nicht nur im Film - weißer hegemonialer Männlichkeit dienen, um sich abzugrenzen, so Lemmle. Dies äußere sich beispielsweise in kolonial-rassistischen Projektionen, wie dem Gefängnis, in das Batman im dritten Teil gerät, das als "Hölle" empfunden wird und natürlich außerhalb der USA liegen muss. So wurde beispielsweise in Rezensionen der Ort als Indien, "Al-Quaida-Land", Naher Osten oder Dritte Welt besprochen. Zudem schafft es Batman als einziger weißer Mann neben den nicht-weißen Insassen aus dem Gefängnis zu fliehen. 

Video: Input von Julia Lemmle 

In der Klassifizierung des Jokers als kranken Psychophaten im Gegensatz zu Batman als dem guten, starken Helden, zeigt sich überdies ein verstärkter Ableismus im zweiten Teil. Dabei wirkt vor allem Batmans Verpanzerung als übermenschlich andauerndes, unverletzliches Symbol. Die Verpanzerung dient ihm zudem als Schutzort, um sich seinen durchlebten Traumata-Erfahrungen seiner Kindheit nicht stellen zu müssen. Als Mann und als Held muss er stets stärker als seine Ängste sein. 

Darüber hinaus beschreibt Lemmle bedrohende Faktoren für die weiße hegemoniale Männlichkeit, wie Aufstände sozial schwächerer Schichten, die sich im dritten Teil  - verkörpert durch den Bösewicht Bane - gegen die Machthaber und Wohlhabenden des Systems stellen. Im Prinzip werden die Ängste eines Macht- und Bedeutungsverlustes weißer Privilegierter auf die Welt von Batman projiziert, so ihre Feststellung. Lemmles analytische Sichtweise auf popkulturelle Phänomene wie Batman ist aus diesem Grund besonders im Kontext weißer Männlichkeit interessant.

Der Sozialpsychologe Prof. Dr. Rolf Pohl widmete sich einer ganz anderen Heroisierung. Er kritisierte die geistige und moralische Vorherrschaft männlicher Werte im Vaterbild. Männer  spürten den Zwang, sich von Frauen zu unterscheiden und eine Überlegenheit zu manifestieren. So etabliere sich auch das stereotypische Heldenbild, das tatkräftig, opferbereit, selbstlos – und männlich – ist.

Pohl sah weiterhin ein großes Problem im Schematismus der Elternrollen. Besonders das Aufziehen eines Sohnes bedarf nach konservativen Normen einen Vater. Dieser solle das erfüllen, wozu die Mutter vermeintlich nicht fähig ist, nämlich eine Vorbildfunktion und die „richtigen“ Werte zu vermitteln. Das Fehlen eines männlichen Elternteils würde so stark als Defizit empfunden, dass psychische Erkrankungen bei Kindern häufig als Folgen eines abwesenden Vaters genannt werden. Mit der Aufgabe, das Kind aus den Händen der überbeschützenden Mutter zu befreien, schreibe man dem Vater gar die Rolle des Erlösers zu, so Pohl. Geschlechtertheorien würden dabei jedoch ausgeblendet, es komme zur Abwertung der Mutter. Demnach bedeute die neue Väterlichkeit die Vereinnahmung der Mutterrolle als Mann, weibliche Grundaufgaben würden mit Männlichkeit gepaart und führten zum Bild eines heldenhaften Vaters. Pohls kritische Haltung gegenüber der Vaterrolle gibt Hoffnung auf ein emanzipatorisches Familienmodell. 

Video: Input von Dr. Rohl Pohl

Text: HY

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