Samstag, 16. März 2013

Wer sind die neuen Männer? – Workshop

Eine Art Phantombegriff des derzeitigen Männlichkeitsdiskurses behandelte das Panel zum Thema "Wer sind die neuen Männer?". Der „neue Mann“ ist scheinbar genauso viel in aller Munde wie die „Krise der Männlichkeit“. Was genau damit gemeint ist, darüber diskutierten Prof. Dr. Carsten Wippermann, Volker Baisch und Katharina Debus gemeinsam mit Moderator Marc Gärtner.

Sehen viel Potenzial im "neuen Mann": Die Panelist_innen
(Bilder: Monika Keiler)

  
So neu sei der "neue Mann" gar nicht, erklärt Moderator Marc Gärtner gleich zu Beginn. Schon seit den 1970er und 1980er Jahren geistert der Begriff des neuen Mannes durch die Gesellschaft. Er entstand als Resonanz auf die zweite Frauenbewegung, als sich Männer in sogenannten Männergruppen zusammenschlossen. Feministisch motiviert waren sie auf der Suche nach neuen Formen von Zusammenleben und männlicher Identität. Gleichzeitig fasst man unter dem Begriff des „neuen Mannes“ auch die in den letzten Jahren veränderten maskulinen Rollenmodelle zusammen: Gefühle zeigen, schwul sein, Elternzeit nehmen, über Sexualität nachdenken – um nur ein paar Beispiele zu nennen –, ist Männern heute eher möglich, als es vor ein, zwei Generationen der Fall war. 

Der erste Input von Prof. Dr. Carsten Wippermann, Professor an der katholischen Stiftungshochschule München verdeutlicht, dass das Konzept des "neuen Mannes" durchaus ein "visionärer Entwurf“ sein kann, also das Potenzial hat, sich von alten Klischees, Stereotypen und festgefahrenen Machtformationen abzugrenzen. Allerdings ist diese neue Männlichkeit eine "Nischenrealität". Auch wenn in einer Studie 74 Prozent aller Männer der Aussage „Ich bin für die konsequente Gleichstellung von Frauen und Männern, beruflich und privat“ zustimmen, leben die meisten Männer in klassischer Rollenverteilung. Nur 5,7 Prozent teilen sich die Hausarbeit mit ihrer Partnerin wirklich gerecht auf. Grund hierfür ist der hohe Grad der Individualisierung der Rollenverteilung in der Partnerschaft, bei gleichzeitiger Bevorteilung der Arbeitswelt von Männern, die klassischen Rollenmodelle leben. Wippermann erklärt: „Väter, die gemeinsam mit ihrer Partnerin für ihre Kinder da sein wollen, müssen sich gegen die Verlockungen der beruflichen, steuerlichen, krankenversicherungstechnischen Alltagsstrukturen stellen. Die täglichen Aushandlungen führen die Partnerschaft insgesamt immer wieder an Belastungsgrenzen.“ Aus ökonomisch rationalen Erwägungen – allerdings mit sehr kurzfristiger Perspektive –, praktizieren 84 Prozent der Männer zwischen 30 und 35 Jahren eine traditionelle Rollenteilung in der Beziehung.

Volker Baisch, Unternehmensberater in einer auf Familienfreundlichkeit spezialisierten Agentur und Experte für Väter in Führungspositionen, erörtert die Ergebnisse der von seiner Agentur in Auftrag gegeben Trendstudie „Moderne Väter“, Er unterstreicht vor allem die positiven Verschiebungen der letzten Jahrzehnte: "Vatersein ist keine Fata Morgana mehr“, so lautet seine These. Er macht klar, dass bei Vätern durchaus ein zunehmendes Bedürfnis nach einer Rolle in der Familie und der Erziehung bestünde. 87 Prozent der Väter übernehmen heute Aufgaben wie Windeln wechseln, Kinder füttern oder ins Bett bringen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Modell des „Vaters als Ernährer“ vom neuen „Vater als Erzieher“ abgelöst würde. Väter heute befinden sich in der Doppelbelastung, die bisher eher berufstätige Frauen kannten. Offensichtlich wird dabei, dass mehr Elternzeit für Väter auch feministische Verschiebungen unterstützt: Für jeden Vater kommt eine Frau zurück in den Beruf. Abschließend kritisiert Baisch die Elterngeldpolitik der Bundesregierung, die seiner Ansicht nach nicht weit genug geht. Vor allem der Anteil der sogenannten Vätermonate an der Elterngeldzeit muss gesteigert werden, wie das Beispiel Norwegen zeigt, wo mehr Väter länger Elternzeit nehmen. Relevant sei auch eine wirkliche Aufklärung über die Optionen, die Väter haben: Beispielsweise das Modell des Teilzeitanspruchs auf Elternzeit, welches noch viel zu wenig bekannt ist, so Baisch.


Katharina Debus (Mitte) sieht den Begriff "Neuer Mann" kritisch.


Katharina Debus von Dissens e.V. arbeitet seit vielen Jahren in der Bildungsarbeit und in der Bildungs- und Geschlechterforschung. Sie kritisiert den Begriff des neuen Mannes. Einer Umfrage nach erleben viele Männer ihn als eine weitere normative Anrufung und wollen gar nicht in eine derartige Schublade gesteckt werden. Relevant ist in diesem Zusammenhang auch der immer noch wirkungsmächtige Druck, nicht aus der Reihe zu fallen und lächerlich gemacht zu werden. Andere Befragte gaben jedoch an, besser mit diesem Titel "neuer Mann" als mit jenem der konventionellen Männlichkeit zu leben. Insgesamt wurde er trotzdem als kryptonormativ angesehen, das heißt eindeutig definierend und dennoch unklar, dualistisch zwischen alt und neu unterscheidend. Debus merkt an, dass die eigentlichen Differenzen, die für eine Neuformulierung von Männlichkeit inspirierend wirken könnten, bisher unterthematisiert sind. So sind es doch gerade diskriminierte Männlichkeiten, wie People of Color oder Transgender-Männer, die durch die Erfahrung von Diskriminierung und Benachteiligung mehr Empathie oder Kreativität besitzen, um alternative Modelle von Männlichkeit zu entwickeln. In diesem Sinne bleibt der "neue Mann" zunächst eher ein Mythos oder eine Projektionsfläche, anstatt ihn durch real existierende Performativitäten von alternativen Männlichkeiten – abweichend vom Modell "weiß-männlich-heterosexuell" – in seinem Potential wirklich greifbarer zu machen.

In der anschließenden Diskussion geht Moderator Marc Gärtner auf das Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und akademischem Diskurs ein. In der Wirtschaft scheint mit dem neuem Mann vor allem der „moderne Vater“ gemeint zu sein, die Führungskraft, die sich um die Kinder kümmert. Dabei handelt es sich um ein bürgerliches, weißes Modell, das heterosexuelle, biologische und weiße Männer meint und andere männliche Identitäten zum Beispiel Schwarze, Schwule sowie Transgender nicht benennt. Baisch entgegnet, dass Männer in der Praxis Begriffe wie diesen bräuchten, da sie das Bedürfnis haben, sich von „weiblichen“ Begriffen wie Gender abzugrenzen. Debus macht sich für eine Vielfalt an Begriffen stark, die nötig ist, um die unterschiedlichen Verhältnisse von Männern abzubilden. Sie findet es erschreckend, dass Jungen kaum eine andere Vorstellung vom Leben haben, als das in der heteronormativen Kleinfamilie. Gärtner erklärt, dass wir zu wenig von anderen Männlichkeiten abseits des Vaters sprechen, obwohl diese unter Umständen sogar in der Mehrzahl seien. Baisch erkennt eine Leerstelle: Unternehmen wüssten häufig gar nicht, ob die bei ihnen beschäftigten Männer Väter, Single, Patchwork-Väter, oder allein erziehende Väter seien.

Ein weiteres Thema der Diskussion ist der Begriff der Flexibilisierung der Arbeitswelt. Der Ruf etwa von Feministinnen nach mehr Teilzeitarbeit für Männer führt auch dazu, das normale Beschäftigungsverhältnisse aufbrechen und die fortschreitende Prekarisierung der Arbeitswelt vorangetrieben wird. Wippermann antwortet, dass er davon unabhängig eine zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt beobachtet, die auch Männer in Vollzeitjobs zusätzlich belastet und auf Kosten des Familienalltags geht. Baisch ergänzt, dass Männer nach der Elternzeit häufig die berufliche Sinnfrage stellen und nicht weiter "im Hamsterrad" verweilen wollen. Teilnehmerin Antje Asmus, Referentin beim Verband allein erziehender Mütter und Väter, wirft ein, dass neue Männlichkeit an Frauen benachteiligenden Strukturen wie Minijobs, Ehegattensplitting, fehlende Kinderbetreuung scheitere. Diese Strukturen müssen geändert werden, um egalitäre Partnerschaft überhaupt erst zu ermöglichen.

In seinem Abschlussstatement macht sich Baisch dafür stark, neue Begrifflichkeiten und Modelle zu entwickeln, um in einen Austausch treten zu können, was Männlichkeit heute bedeutet. Debus widerspricht ihm: Es braucht kein Modell, sondern eine Erweiterung der Geschlechteroptionen, was im Hinblick auf Weiblichkeit schon lange Thema sei. Wippermann ist pragmatischer: Er plädiert dafür, die Geschlechterungerechtigkeit stabilisieren, zu identifizieren und zu verändern.

1 Kommentar:

  1. Wanting to know the way to preserve my own marital life or relationship? Here is several marital life direction and also relationship dilemma suggestions pertaining to couples, that can help keeping in mind your marital life or relationship living for some time into the future Männergruppen

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